Wielun - 80. Jahrestag des Überfall auf Polen und Beginn des 2. Weltkrieges

Gedenkveranstaltung in Wielun am 1. September

Wie in jedem Jahr erinnert unsere polnische Partnerstadt am 1. September mit einer Gedenkveranstaltung an die Bombardierung Wieluns durch die deutschen Luftwaffe am 1. September 1939, um 4:40 Uhr. Ohne Kriegserklärung und unter Bruch des Kriegsvölkerrechts wurde die Stadt fast völlig zerstört. 1200 Menschen fanden den Tod. Erste Ziele waren das Krankenhaus und die Kirche. Historiker haben nachweisen können, dass dies noch vor dem Beschuss der Westernplatte in Danzig durch die deutsche Kriegsmarine stattfand. Trotz dieses historischen Faktums nahm die Politik bisher wenig Notiz von Wielun. Das hat sich nun geändert. Durch die Teilnahme der Staatsoberhäupter beider Länder, Präsident Duda (Polen) und Bundespräsident Steinmeier (Deutschland), an der Gedenkveranstaltung Wieluns am vergangenen Sonntag hat unsere Partnerstadt die offizielle Anerkennung bekommen, dass hier der zweite Weltkrieg begann. Als Bürgermeister einer deutschen Partnerstadt Wieluns war es für mich deshalb immer eine Selbstverständlichkeit, am 1. September mit einer Delegation aus Osterburg nach Wielun zu reisen. In diesem Jahr wurde ich begleitet von Stadtrat und Ortsbürgermeister Rainer Moser, dem Stellvertretenden Landrat, Dr. Denis Gruber, meinem Stellvertreter im Amt, Detlef Kränzel, Museumsdirektor Frank Hoche und Schülern des Markgraf-Albrecht-Gymnasiums.

Modernes Pflegeheim besucht

Bevor es mit den Gedenkveranstaltungen losging, haben wir ein ganz neues Pflegeheim besucht. Die Anlage ist mit einem Hotelbetrieb kombiniert, so dass sich auch Angehörige der zu Pflegenden für längere Besuche bei den Eltern bzw. Großeltern aufhalten können. Ein tolles Konzept, welches von der Inhaberfamilie allein finanziert wurde. Vom Staat gab es keine Investitionszuschüsse hierfür - in Deutschland undenkbar. Begleitet wurden wir bei dem Besuch von Alt-Bürgermeister Sigmund Adamski (ganz links) und dem Geschäftsführer der Stadtwerke, T. Kulicki (ganz rechts).

Lauf der Erinnerung

Am Sonnabend-Nachmittag ging es ins 90 km entfernte Polnisch Neudorf. In dem Ort nahe Oppeln befindet sich der Flugplatz, auf dem vor 80 Jahren die Bomber zur Zerstörung Wieluns aufbrachen. Jedes Jahr erinnern Schüler aus Wielun und Deutschland (auch Gymnasium Osterburg, Bild) mit einem Lauf der Erinnerung an dieses schreckliche Ereignis. Der Lauf wird durch den Bürgermeister Wieluns, Pawel Okrasa und mir eröffnet. Die Schüler laufen abwechselnd durch die Nacht nach Wielun und bringen am nächsten moregn um 4:40 Uhr die Fackel zur Entzündung der Flamme zum Mahnmal.

Bevor der Lauf starten konnte, gab es noch einen Feldgottesdienst mit anschließenden Ansprachen zur Weihe und Anbringung einer Gedenktafel. Auch ich wurde (spontan) gebeten, etwas zu sagen. Kurz überlegt, richtete ich mich mit folgenden Worten an die Gäste:
Eure Exzellenz, werte Gäste, ich bedanke mich dafür, dass ich heute bei dieser Gedenkveranstaltung dabei sein und mich auch mit eigenen Worten an Sie wenden kann. Es ist für mich als deutscher Bürgermeister keine Selbstverständlichkeit, dass Sie mich jetzt und an dieser Stelle überhaupt hören möchten. Denn genau hier begann durch deutsche Truppen vor 80 Jahren der Überfall auf Wielun, auf Polen und auf die ganze Welt. Genau hier begann das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte mit den über 60 Mio. Toten des 2. Weltkrieges. Auch wenn ich nur Bürgermeister einer deutschen Kleinstadt bin, möchte ich an dieser Stelle dafür um Vergebeung bitten. Aber Vergebung allein reicht nicht, um auch zukünftig den Frieden zu wahren. Wichtiger sind die Freundschaften zwischen den Menschen beider Völker. Hierbei haben Städtepartnerschaften eine ganz besondere Rolle. Ich danke dem Bürgermeister von Wielun, Pawel Okrasa und allen Einwohnern der Stadt, dass wir seit fast 20 Jahren diese Städtepartnerschaft pflegen, die auf eine über 40-jährige Freundschaft zwischen Menschen beider Städte beruht. Mögen die Bürger von Wielun und Osterburg, mögen alle Polen und Deutsche ewig in Freundschaft und in Frieden zusammenleben.

1. September 4:40 Uhr

Wie oben erwähnt, kamen dieses Jahr beide Präsidenten zu der Gendenkveranstaltung nach Wielun. Aufgrund des großen Medieninteresses und der Vielzahl an Gästen sollten wir bereits um 3:30 Uhr auf dem Platz dem zentralen Plac Legionow sein. Nachdem um 4:40 Uhr die Sirenen an die Bombardierung erinnerten, wurde auf einer großen Häuserfront eine sehr ergreifende Videoanimation gezeigt. Das Video kann unter diesem Link bei Facebook eingesehen werden.

Im Anschluss haben Bürgermeister Okrasa sowie die beiden Präsidenten sehr gute Reden gehalten. Duda wiederholte mit keiner Silbe die polnischen Forderungen der letzten Wochen nach Reparationszahlungen Deutschlands an Polen. Stattdessen sagte er, dass die persönliche Anwesenheit des Bundespräsidenten eine moralische Entschädigung sei. Steinmeier ging indirekt auf die Reparationsforderungen ein: „Unrecht und erlittenes Leid können wir nicht ungeschehen machen. Wir können es auch nicht aufrechnen.“

Heilige Messe und Kranzniederlegung

Am Vormittag konnten wir uns dann etwas ausruhen, bevor am Mittag die Heilige Messe auf den Ruinen der zerstörten Kirche gehalten wurde. Hierzu hat Okrasa eine Vision. Er will den Glockenturm wiedererrichten als internationales Memorial für den Ort an dem der 2. Weltkrieg begann. Nach der Messe wurden am Mahnmal die Kränze zu Ehren der Opfer niedergelegt. Wie in jedem Jahr beteilgte sich auch Osterburg (Detlef Kränzel und ich) daran. Bevor es anschließend auf den Rückweg ging, verabschiedete ich mich noch bei Sigmund Adamski, der unseren Besuch die ganze Zeit begleitet hat. Als Freund Osterburgs unterzeichnete er als Bürgermeister von Wielun am 03.10.2000 die Partnerschaftsurkunde gemeinsam mit unserem Bürgermeister, Siegfried Dießner.

Deutsche Medien berichten sehr umfangreich