Kranzniederlegung zum Tag der Befreiung

Meiner Einladung als Bürgermeister von Osterburg zur Gedenkveranstaltung und Kranzniederlegung am heutigen Tag der Befreiung am Mahnmal für die Opfer des Faschismus auf dem Weinberg folgten die Partei Die Linke, Bürgerinnen und Bürger. Zu wenige, wie ich finde, denn der 8. Mai hat eine wichtige Bedeutung.

Rede zum Tag der Befreiung am 08. Mai 2018

Der 08. Mai markiert die Befreiung der Welt vom Nationalsozialismus. In vielen Ländern wird er als Gedenktag begangen, so auch bei uns in Deutschland und hier in Osterburg. Ich danke der Partei Die Linke, dass sie jedes Jahr den Anstoß dafür gibt.

 

Der heutige Tag markiert das Ende einer Schreckensherrschaft, die 65 Millionen Menschen das Leben kostete und deren ungezählte Angehörige in Trauer und Verzweiflung zurückließ.

 

Eine Schreckensherrschaft, deren dummer und einfältiger Hass auf das Judentum sich zum größten Genozid der Menschheitsgeschichte pervertierte. 6 Millionen Tote in den Gaskammern von Auschwitz und anderswo, nur weil sie Juden waren.

 

Eine Schreckensherrschaft, deren rassistische und nationalistische Ideologie dafür verantwortlich ist, dass ganze Länder, ganze Landstriche und Städte verwüstet wurden; verantwortlich dafür, dass Millionen von Menschen ihre Heimat verloren und vor einem schweren Neuanfang standen.

 

Der 08. Mai war aber auch ein Tag der Befreiung von Unterdrückung, von Verleumdung und Intoleranz, von Verrohung und Elend, von Unmenschlichkeit und Hass. Eben jener Elemente, die das Lebenselexier des Nationalsozialismus darstellen.

 

Auch 73 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges ist es dringend nötig, immer wieder daran zu erinnern und zu mahnen. Ich habe das Gefühl, dass es immer dringender wird. Denn auch heute ist unsere Welt immer noch keine, in der das eben Genannte zur Vergangenheit gehört, in der die Freiheit für jeden einzelnen als höchstes Gut betrachtet wird, das es tagtäglich zu schützen und zu verteidigen gilt. Nicht nur durch jeden selbst, sondern in gesamtgesellschaftlicher und globaler Verantwortung.

 

Ein Gedenktag im Jahr - das reicht bei weitem nicht. Auch wenn so ein fester Tag besinnenden Charakter hat und hohen Stellenwert einnimmt.

 

Doch unsere Gedanken werden permanent unterwandert, ufern unkontrolliert aus, weil vieles eben nicht mehr hinterfragt wird. Und manchmal bekommen wir es gar nicht mehr mit oder erst viel zu spät, so abgelenkt sind wir in dieser schnelllebigen Zeit. Da heißt es sich selbst kontrollieren und immer wieder hinterfragen. Bei allem was wir tun, wie wir es tun und in welchem Rahmen.

 

Denn "die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt", wie es der deutsche Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, vor langer Zeit treffend formuliert hat. Eine schlichte Formel, nach der sich ein friedliches Miteinander einfach verständlich berechnen lässt, wenn sich jeder daran hält.

 

Aber dafür braucht es Regeln des Zusammenlebens. Damit Unterdrückung, Verleumdung, Intoleranz, Verrohung, moralisches Elend, Unmenschlichkeit und Hass - was wir heute am Tag der Befreiung eben auch mahnen - nicht unkontrolliert wuchert. Und wer sich durch gesellschaftliche Regeln in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlt und glaubt, sich allein durch Rebellion gegen jede gesellschaftliche Konvention erst wirklich frei fühlen zu können, der hat den Sinn der Freiheit nicht verstanden.

 

Jeder sollte sich fragen: Wie fair ist es denn, die eigene Freiheit auf Kosten anderer auszuleben? Jeder einzelne und jeder, der weitreichende Verantwortung auch für andere trägt.

 

Ich sage dazu: Ein Echo kommt immer zurück!!!

Und ich meine damit ein ganz aktuelles Beispiel wie nicht nur wir selbst, sondern gesellschaftliche Mechanismen am Freiheitsbegriff versagen können. Am Recht auf künstlerische Freiheit ohne Kompromisse zum Beispiel.

 

Doch wenn folgende Textzeilen der Rapper Kollegah und Farid Bang mit dem wichtigsten deutschen Musikpreis, dem Echo, ausgezeichnet werden, ist die Grenze einer freiheitsliebenden und toleranten Gesellschaft weit überschritten. Die beiden Rapper singen: "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen" oder "Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow". Das ist ein Skandal.

 

Die Verantwortlichen des Echo-Musikpreises sahen das allerdings erst im Nachgang so. Und das ist das eigentlich Erschreckende, Empörende, Beschämende. Wenn unter dem Deckmantel der künstlerischen Freiheit derertig antisemitische und menschenverachtende Gedanken unkontrolliert gestreut, konsumiert und auch noch ausgezeichnet werden, dann haben wir ein moralisch und ethisches Problem in unserer Gesellschaft. Ein ernst zu nehmendes Problem!

 

Durch die Echo-Preisverleihung sind diese Texte ins öffentliche Bewusstsein geraten. Sie sind in der Musikszene aber kein Einzelfall. Menschenverachtende, hetzerische Textzeilen wie die der Rapper Kollegah und Farid Bang finden sich zuhauf - ganz offen oder versteckt - nicht nur in dieser Musikrichtung.

 

Eis gibt eine Rechtsrockszene, deren bekannteste Band war Landser aus Berlin (Auflösung 2003). Sie nannten sich zuerst Endlösung (für Endlösung der Judenfrage) und sangen vom "Soundtrack zur arischen Revolution". Wenn Bands wie diese singen dürfen "Musik ist unsere Waffe, gefährlicher als Panzer und Granaten", dann genügt es längst nicht mehr zu sagen "Wehret den Anfängen!"

 

Denn auf deutschen Straßen werden wieder israelische Flaggen angezündet. "Jude" wird als Schimpfwort verwendet. Die AfD fordert eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". Schon jetzt wissen nur noch knapp 60 Prozent der deutschen Schüler ab 14 Jahren, was Auschwitz war.

 

Michel Friedmann sagte vor Kurzem zurecht: "Wer bei den heutigen Ereignissen noch von 'Wehret den Anfängen' redet im Zusammenhang mit dem, was wir damals erlebt haben, hat überhaupt nichts begriffen. NPD, Wehrsportgruppe Hoffmann, NSU, Beteiligung von staatlichen Stellen, jetzt die AfD, da stelle ich die Frage: Haben wir wirklich den Anfängen gewehrt?..... Und alle sagen überrascht, jetzt sei es wieder da, aber wann, frage ich, wann war es nicht da?"

 

Ich habe diesen Worten nichts mehr hinzuzufügen. Sie sprechen aus, was mich bedrückt. Ich danke Ihnen, dass auch Sie sich beteiligen, zu erinnern und zu mahnen, damit sich die Katastrophe des 20. Jahrhunderts nicht wiederholt.