6. April 2019

Festrede zur Jugendweihe 2019

+++ Es gilt das gesprochene Wort +++

Liebe Jugendweihlinge,

Wovon sollen wir träumen?       
Woran können wir glauben?   
Was kommt und bleibt?       
--> So wie wir sind…

Fragt die Popsängerin Frieda Gold in einem Lied – sich, mich, EUCH, uns alle!

Und ich füge an: Was soll werden?
Nicht was KÖNNTE werden, nicht was MÜSSTE werden,
sondern was SOLL werden.

Denn IHR habt es in der Hand.
Jetzt und hier wo Ihr im Augenblick steht.
Irgendwo im Niemandsland
zwischen Wünschen, Hoffen – ja, auch Bangen – aber Machen genauso.
Selbst wenn es sich noch nicht so für Euch anfühlen mag.

Es sind Fragen, die Euch jetzt zur Jugendweihe,
was ja offiziell den Eintritt in den sogenannten "Kreis der Erwachsenen" bedeutet,
vielleicht selbst öfter mal in den Sinn kommen?
Oder die Ihr Euch schon ganz bewusst stellt?
Mit denen womöglich Eure Verwandten auf Euch zukommen…

Und auch Sie, sehr verehrte Eltern, Großeltern und Verwandte,
begrüße ich herzlich zu diesem festlichen Anlass heute!

Ich begrüße Sie nicht nur – auch an Sie möchte ich diese Fragen weitergeben.
Denn sie sind generationsübergreifend, altersunabhängig, allgegenwärtig.
Vor allem in dieser schnelllebigen Zeit, voller Umbrüche in immer kürzeren Abständen.

Nur weil Sie und ich schon erwachsen sind,
während Ihre hier versammelten Kinder, Enkel, Neffen und Nichten,
gerade erst einen Schritt - wenn auch einen sehr großen -
hinein in diese elementaren Zukunftsfragen wagen,
das Bewusstsein dafür schärfen, was die Zukunft denn bringen SOLL,
ist es nicht verboten, sich diese Fragen auch immer wieder selbst neu zu stellen.
Denn auch wir Erwachsenen haben keine allgemeingültigen, ewig geltenden Antworten!

Liebe Jugendweihlinge, BITTE erwartet da nicht zu viel von uns.
Wir können Euch von unseren Erfahrungen erzählen.
Wir können Euch mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Wir können Euch helfen, abzuwägen, wenn wir Euch von unseren Fehlern berichten, oder dem was funktioniert hat.
Wir können Euch unterstützen, verschiedene Perspektiven einzunehmen,
bevor ihr Eure eigenen Entscheidungen trefft.
Denn genau das ist es, was erwachsen werden und erwachsen sein bedeutet:
Entscheidungen treffen.

Entscheidungen sind Mutproben.
Die Kleinen und die Großen erst recht.
Manche sind leicht zu treffen, für andere braucht es einen langen Weg.
Schulisch, bald beruflich, genauso wie privat.
Ihr werdet über ein paar Steine stolpern.
Ihr werdet vielleicht auch mal vor einem Felsen stehen
oder in einen Abgrund blicken und nicht wissen: Wie weiter? Was tun?

Dann bittet um Hilfe!
Das zu tun und sie dann annehmen – auch das bedeutet erwachsen sein.
Haltet die Augen offen, schaut dabei in alle Richtungen.
Nicht nur stur geradeaus in den Computermonitor.
Nicht nur nach unten in den digitalen Kosmos eurer Handys.

Denn wisst Ihr, wie Ihr genannt werdet? Wie Eure Generation heißt?
Homo Smartphonies!
Und darin steckt kein Vorwurf.
Keine Wertung in "like" oder "dislike".

Es ist eine Entwicklung, die Generationen vor Euch schon angeschoben haben.
Und Ihr seid nun die Erste,
die in eine komplett hochtechnologisierte Welt hineingeboren wurde,
die tatsächlich seit Kleinstkindesbeinen an im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist.

Ihr habt ein hervorragendes technisches Verständnis.
Ihr seid Meister der Integration neuer Technologien in den Lebensalltag.
Hier müssen wir Erwachsenen oftmals EUCH um Hilfe bitten.
Doch bitte vergesst nicht, dieser Lebensalltag ist analog.
Vor allem: Die Natur funktioniert immer analog.

Nutzt Eure technischen und digitalen Fähigkeiten
Euer enormes Potenzial in der realen Welt.
Sie besser zu machen – für Euch und Eure Nachfolgegenerationen.

Also Kopf hoch – möchte ich Euch zurufen!
Euer Leben ist kein Wartezimmer!
Niemand ruft Euch auf!

Denn wisst Ihr, wie Ihr auch genannt werdet?

Generation Z.
Wofür das Z steht, weiß ich nicht genau, findet man nicht raus.
Also lasst es für Z wie Zukunft stehen!
Natürlich Eure ganz persönliche Zukunft.
Doch sie ist verwoben in eine globale Zukunft.
Abhängig davon. Teil davon.
Jeder von uns ist ein kleines Rädchen im großen Getriebe.
Und manchmal braucht es nur einen kleinen Kieselstein…

Einen, wie ihn die schwedische Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg ins festgefahrene Getriebe der Gesellschaft und Politik geworfen hat. Mutig voran.
Eine von Euch. Aus Eurer Mitte, aus Eurer Generation.

Inzwischen gehen in 100 Ländern auf fünf Kontinenten immer freitags Schüler für einen wirksamen Klimaschutz demonstrieren.
Und ich verstehe das! Sehr gut sogar!
Denn der Klimawandel kommt nicht erst, die Erderwärmung ist längst in Gange.
Klimabedrohung ist vielleicht sogar DER Brandbeschleuniger für Krieg und Konflikte.

Auch wenn ich damit jetzt niemanden zum Schulschwänzen animieren möchte,
"die Schulpflicht ist unerheblich im Vergleich zu den Klimaproblemen" und
"die Jugendlichen sind die Einzigen, die die Wissenschaft ernst nehmen",
öffnete vor kurzem Astrophysiker und Terra X Fernsehmoderator, Harald Lesch,
wohl nicht nur mir die Augen beim Abwägen.

Jede Generation tritt ein Erbe an, dieses gehört zu Eurem.
Und da geht es leider nicht ohne ein ehrliches: Entschuldigt!
So lautet die Videobotschaft von Astronaut Alexander Gerst an Euch und Eure Kinder
kurz vor seinem Rückflug aus dem Weltall Ende 2018.

Er sagt: "Im Moment sieht es so aus als ob wir, meine Generation, Euch den Planeten nicht im besten Zustand hinterlassen werden."

Liebe Eltern, lassen wir das nicht so stehen.
Helfen wir den Jugendlichen hier im Saal auch in den großen Zukunftsfragen.
Durch Taten, die ein gutes Vorbild sind.
Durch Richtungen, ohne ihnen unsere aufzuzwingen.
Durch unser ernstes Interesse an ihren Antworten auf die eingangs gestellten Fragen:

Wovon sollen wir träumen?
Woran können wir glauben?
Was kommt und bleibt?
Was soll werden?

Ich hoffe, dass ich Euch heute etwas mit auf Euren Weg ins Erwachsenenleben
geben konnte, an das Ihr Euch vielleicht mal erinnern werdet.

Das wäre schön, aber ich wünsche es mir nicht.
Denn es geht nicht um mich.
Es geht um Euch!

Und Euch wünsche ich vor allem eins im Leben.

Jede Menge Mut.
Denn das Leben wird aus Mut gemacht!
Kopf hoch!